Gehirn-Implantate made in Kiel
Er ist Brasilianer und hatte die konkrete Möglichkeit, sein Unternehmen in New York aufzubauen. Doch Rodrigo Lima de Miranda, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Acquandas GmbH, entschied sich für Kiel - und holte 2024 einen US-amerikanischen Partner an Bord, der einen Millionenbetrag in den Technologieentwickler und -hersteller aus dem echten Norden investierte. So gestärkt, erobert das ehemalige StartUp gerade den weltweit wachsenden Markt für Medizintechnikprodukte.
Basierend auf einer einzigartigen, von Acquandas entwickelten und patentierten Fertigungstechnologie testet die US-Firma Synchron derzeit eine Gehirn-Computer-Schnittstelle, die es gelähmten oder sprachunfähigen Patientinnen und Patienten ermöglichen soll, durch Gedankenimpulse wieder zu kommunizieren und beispielsweise einen Rollstuhl zu steuern. Die Studie, die die Zulassung dieser innovativen Behandlungsmethode vorbereitet, ist bereits weit fortgeschritten: Zehn Personen, sechs aus den USA und vier aus Australien, wurde 2021 über eine Vene ein Implantat made in Kiel in die Nähe ihres motorischen Cortex eingesetzt. Über einen Sensor in der Brust ist die implantierte Elektrode mit einem Computer verbunden, über den digitale Geräte gesteuert werden können. "Die Ergebnisse sind vielversprechend, so dass die Studie 2025 auf noch mehr Menschen ausgeweitet wird", sagt der Acquandas-Geschäftsführer. Damit habe man die Konkurrenz weit hinter sich gelassen. Neuralink, eine Firma des Tech-Milliardärs Elon Musk, setzt auf Operationen am offenen Gehirn, während das Snchron-Acquandas-Verfahren minimalinvasiv und damit weitaus risikoärmer für die Patientinnen und Patienten ist.
Das Synchron-Projekt ist das aktuell wichtigste, aber bei weitem nicht das einzige, an dem Acquandas beteiligt ist. "Wir sind ein Auftragshersteller, das heißt, wir ermöglichen mit unserer hoch innovativen Fertigungstechnologie die Ideen von anderen. Das nutzen inzwischen mehrere Dutzend Großkunden in den USA, aber auch in Europa oder Australien", erklärt Rodrigo Lima de Miranda. Die Herstellung hochwertiger Mikrokomponenten aus Nitinol, Magnesium, Eisenlegierungen oder anderen metallischen Werkstoffen ist die Spezialität des 2012 von ihm gegründeten Unternehmens. Nitinol (Nickeltitan) ist als Formgedächtnislegierung bekannt: Geometrisch komplexe, in Dünnschichttechnologie hergestellte Strukturen "erinnern" sich nach einer starken Verformung an ihre Ausgangsgestalt. Deshalb wird Nitinol schon seit Jahrzehnten zum Beispiel für Stents und künstliche Herzklappen verwendet. Enormes Potential sieht der promovierte Ingenieur jetzt in der Entwicklung der elektronischen Mikroimplantate, die Schnittstellen bilden oder Medikamente ersetzen. Lima de Miranda: "Dass Acquandas sowohl Prototypen herstellen als auch sehr hohe Stückzahlen liefern kann, macht uns als Zulieferer besonders interessant."
Vor mehr als 20 Jahren kam der heute 47-jährige Brasilianer nach Kiel, um an der Technischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität (CAU) einen Master in Materialwissenschaften zu machen. Zuvor war er in Brasilien bei einem Automobilkonzern beschäftigt. Auf den Master folgte in Kiel die Promotion. Dabei beschäftigte sich Lima de Miranda bereits mit dem Thema Formgedächtnislegierungen. Weil er die gewonnen Erkenntnisse nicht in der Schublade verschwinden lassen wollte und 2009 mit seiner Idee für Dünnschicht-Neurostents den von der WTSH ausgelobten Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein gewann, gründete er das StartUp Acquandas. Lange Zeit war das ein Ein-Mann-Unternehmen, inzwischen jedoch ist daraus ein 23-köpfiges Team geworden. "Wir möchten bis 2030 auf 50 Mitarbeitende anwachsen und freuen uns über jede Bewerbung", sagt der Geschäftsführer. Acquandas beteiligt sich auch an der Science and Technology Academy der CAU, bei der Master-Studierende parallel zum Ingenieursstudium an der CAU in einem Unternehmen arbeiten und später übernommen werden können.
Für das erwartete Wachstum braucht es außerdem neue Räume. Bisher hat Acquandas seinen Sitz auf dem Campus der Technischen Fakultät auf dem Kieler Ostufer, wo sich das Kompetenzzentrum Nanosystemtechnik befindet. Dessen Herzstück ist das Kieler Nanolabor für Nanowissenschaften und Oberflächenforschung, ausgestattet mit einem Reinraum und anderem hochmodernen Equipment. Acquandas gehört ein Teil der Geräte. Ab 2026 wird das Unternehmen eigene Büros und seinen eigenen Reinraum haben, kündigt der Geschäftsführer an: "Wir sind glücklich, dass wir ein passendes Grundstück hier in Kiel gefunden haben."
Acquandas GmbH
- Gründung: 2012
- Beschäftigte: 23
- Standort: Kiel
- Services: Entwicklung und Herstellung von Mikro-Komponenten aus metallischen Werkstoffen
- Branche: Medizintechnik
- Mehr Informationen: acquandas.com