Innovationsplattform für klimafreundliche Seefahrt
Forschungsschiff Coriolis
Spitzenforschung des Helmholtz-Zentrums Hereon Geesthacht bereit für den Praxistest: Modernste Umweltforschung und Innovationsplattform für eine klimafreundlichere Schifffahrt, das Forschungsschiff Coriolis wird ein weltweit einmaliges interdisziplinäres Spektrum aus Küsten-, Werkstoff-, Wasserstoff- und Membranforschung abdecken sowie neue Maßstäbe in der Digitalisierung setzen.
Antrieb und Stromversorgung über Wasserstoff und modernste Umweltforschung an Bord
Am 18. November 2024 war es soweit: Das Forschungsschiff Coriolis wurde auf der Hitzler-Werft in Lauenburg von Karin Prien, Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur in Schleswig-Holstein, mit einer feierlichen Zeremonie getauft. Der dreißig Meter lange und acht Meter breite Schiffsneubau, in den viele neu entwickelte (H2-)Technologien eingebaut sind, war im Auftrag des Helmholtz-Zentrums Hereon Geesthacht im März 2023 auf der Hitzler Werft in Lauenburg auf Kiel gelegt worden.
Die frisch in Betrieb genommende Coriolis wird laut Hereon ein weltweit einmaliges interdisziplinäres Spektrum aus Küsten-, Werkstoff und Wasserstoff-Forschung abdecken sowie neue Maßstäbe in der Digitalisierung setzen. Mit der Coriolis soll beispielsweise analysiert werden, welche Nähr- und Schadstoffe von den Flüssen in das Meer gelangen oder wie sich der Ausbau der Offshore-Windkraft auf die Umwelt auswirkt. Der Klimawandel als zentrales Thema soll interdisziplinär - und online vernetzt - erforscht werden. Alle umweltrelevanten Forschungsdaten, die während der Fahrt ermittelt werden, können in Echtzeit abgerufen oder direkt mit anderen Schiffen und Landstationen geteilt werden.
Weltweit erstes Forschungsschiff mit einem umweltfreundlichen Wasserstoffantrieb
Um die elektrischen Fahrmotoren zu betreiben, kann die Besatzung der Coriolis unterschiedliche Antriebe nutzen: drei Dieselgeneratoren, Akkumulatoren-Batterie, Versuchsmotor mit Membranmodul zur Schadstoffreduzierung oder Brennstoffzelle.
Bei einem Antrieb mit Wasserstoff wird mitgeführter grüner Wasserstoff in einer Brennstoffzelle über eine chemische Reaktion verstromt. Der erzeugte Strom kann entweder die Akkumulatoren laden, als Bordstrom genutzt werden oder die elektrischen Fahrmotoren antreiben. In diesem Fall läuft der Schiffsantrieb völlig schadstofffrei.
Ein Schwerpunkt der Forschung an Bord der Coriolis wird die Erprobung innovativer Wasserstoff-Speichermedien sein, die das Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht selbst entwickelt hat. "Wir haben sehr viele Sensoren auf der Coriolis verbaut, die unter anderem im Wasserstoffsystemlabor an Bord Temperaturen und Prozessströme überwachen", erklärt Volker Dzaak, der bei Hereon bis zum Sommer 2024 als Projektleiter für den Bau der Coriolis vernantwortlich war und dem einzigartigen Projekt weiterhin beratend zur Seite steht.
"Die Daten des Wasserstoffspeichers und der Brennstoffzelle werden digital erfasst und ausgewertet und können direkt in Beziehung zur Schiffsbewegung gesetzt werden", erläutert Dzaak. "Aus der Gesamtheit der erhobenen Daten können wir einen digitalen Zwilling der Coriolis generieren, um neue Ideen virtuell ausprobieren zu können", ergänzt Dzaak.
In einem kleinen Tank große Mengen Wasserstoff besonders sicher speichern: Der Metallhydridspeicher
Die zentrale Innovation an Bord des Foschungsschiffes ist ein vom Helmholtz-Zentrum Hereon entwickeltes spezielles Tanksystem, in dem Wasserstoff in der Form von Metallhydrid gespeichert wird. Das Besondere daran: In dem Speichertank befindet sich fein gemahlenes Metallpulver. Dieses Metallpulver kann Wasserstoff auf atomarer Ebene speichern. Wie ein Schwamm saugt das Metall den Wasserstoff auf - und kann ihn vollständig wieder abgeben. Ein Vorteil von Metallhydrid ist, dass in einem kleinen Tank bei moderatem Druck besonders viel Wasserstoff gespeichert wird - und dies besonders sicher. Da der Wasserstoff aus dem Hydridtank erst bei Zufuhr von Wärme abgegeben wird, würde er auch im Falle einer Beschädigung des Behälters gebunden bleiben. Eine Tankhaverie ist technisch nicht möglich.
Metallhydridspeicher werden in Deutschland schon seit den 1970er Jahren in U-Booten zur Versorgung ihrer PEM-Brennstoffzellen eingesetzt. Die Coriolis soll mit dem Metallhydridspeicher die Erprobung und Etablierung von Wasserstofftechnologien zu Gunsten einer umweltfreundlicheren Schifffahrt ermöglichen, wobei für die maritime Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität der zukünftige Einsatz von Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak und Methanol ebenso interessant ist. "Auf der SMM 2024, der Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft, wurden viele Antriebssysteme vorgestellt", bringt es Volker Dzaak auf den Punkt. "Es gibt nicht ein System für alle Belange. Brennstoffzellen sind für kleine Schiffe ganz toll, beispielsweise für den Bordstrom und den Betrieb der Fahrmotoren auf kürzeren Strecken. Generell wird es bei den Schiffs-Antriebssystemen der Zukunft meiner Einschätzung nach auf eine Kombination beispielsweise mit Dual-Fuel-Motoren hinauslaufen", so Dzaak.
Die Coriolis: Unterwegs auf dem Meer und Fluß mit Kurs auf Klimaneutralität
Der Tiefgang des Forschungsschiffes beträgt lediglich 1,6 Meter. Damit ist es vielseitig in der Nord- und Ostsee sowie auf kleineren Flüssen einsetzbar. Der grüne Wasserstoff an Bord kann nicht nur für den Antrieb der Fahrmotoren genutzt werden, sondern auch für den Betrieb des Bordstromnetzes, beispielsweise um Strom für die Labore zu liefern. In dem Wasserstoff-Betriebsmodus verursacht das Schiff keine Schadstoff-Emissionen und ist weitestgehend klimaneutral unterwegs. "Die ersten Tests, um zu prüfen, ob die einzelnen Komponenten einsatzfähig sind, machen wir vor der Schiffstaufe hier in der Umgebung der Werft auf der Elbe", erklärt Dr. Jens Meywerk, Abteilungsleiter Logistik & Organisation Küstenforschung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht, der die Projektleitung für die Coriolis im Sommer 2024 übernommen hat. "Der Wasserstoffantrieb ist die Hauptinnovation auf dem Schiff. Die Coriolis dient nicht nur als Messplattform für die Biologie, Meteorologie und Ozeanografie, sondern ist selbst ein Forschungsobjekt", fasst Meywerk die interdisziplinäre Vielfältigkeit des Forschungsschiffes zusammen. Die Crew besteht aus maximal 3 Personen für die es Besatzungsunterkünfte gibt. Darüber hinaus können zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Bord arbeiten. Da das sogenannte Einwachenschiff in der Regel abends wieder in einem Hafen vor Anker geht, können die Forscherinnen und Forscher an Land übernachten.
Spezialschiffbau auf der Hitzler Werft in Lauenburg
Das der Auftrag zum Bau der Coriolis im Rahmen einer internationalen Ausschreibung an die Hitzler Werft ging, war nicht selbstverständlich. Aber die Lauenburger konnten überzeugen: "Der Bau der Coriolis bedeutet sehr viel für uns", sagt Dirk Eden, Technischer Leiter der Hitzler Werft und verantwortlich für sämtliche Neubauten. "Unsere Werft, die vor 139 Jahren gegründet wurde, ist als Traditionsunternehmen auf Spezialschiffbau spezialisiert. Der Auftrag zum Bau der Coriolis mit seinen vielen technischen und schiffbaulichen Herausforderungen passte gut zu uns. Das Projekt ist einzigartig, weil es die Meeresforschung mit Ideen für eine grünere Schifffahrt verbindet", fasst Eden zusammen.
Förderung durch den Bund und Beratung durch die WTSH
Die Gesamtkosten für den Bau des Forschungsschiffes Coriolis auf der Hitzler Werft in Lauenburg belaufen sich auf 18 Millionen Euro, die vom Bund getragen werden. Darin enthalten ist eine spezielle Förderung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) im Rahmen der Förderrichtlinie BordstromTech II in der Höhe von 560.000 Euro für das Projekt "BOCOR" (Bordstrom Coriolis). Die Landeskoordinierungsstelle Wasserstoffwirtschaft SH und die Geschäftsstelle Schleswig-Holstein des MCN (Maritimes Cluster Norddeutschland e.V.), beide unter dem Dach der WTSH, standen dem Projekt bei der Erlangung von Fördermitteln des Bundes beratend zur Seite. Wir wünschen der Coriolis immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und werden die Erkenntnisse aus den Wasserstoff-Praxistests mit großen Interesse verfolgen.