Heimvorteil für Batterietechnologie
Als eines der führenden Bundesländer der Energiewende stärkt Schleswig-Holstein den Standort für Erforschung und Produktion innovativer Batterien. Die Schlüsseltechnologie für Elektromobilität und stationäre Energiespeicher wollen die Akteurinnen und Akteure nicht anderen überlassen.
Intelligente Netz- und Speichertechnologien sind der Schlüssel für eine zuverlässige Versorgung mit regenerativer Energie aus Windkraft und Photovoltaik. In Schleswig-Holstein wird mehr Strom aus diesen nachhaltigen Quellen produziert, als verbraucht wird - eine perfekte Voraussetzung, um leistungsfähige Batterien der Zukunft zu entwickeln, die grünen Strom speichern können. Davon sollen nicht nur neue Elektroautos mit größeren Reichweiten und schnelleren Lademöglichkeiten profitieren, sondern auch stationäre Energiespeicher.
In Schleswig-Holstein arbeiten bereits viele kluge Köpfe in der Forschung und Entwicklung: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tüfteln an Hochschulen und Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer-Institut ISIT in Itzehoe an bahnbrechenden Lösungen. Und technologisch führende Unternehmen wie Customcells in Itzehoe und UniverCell in Flintbek produzieren bereits leistungsstarke Batteriesysteme.
Diese große Expertise in der Batterietechnologie hatte das Land Schleswig-Holstein bewogen, sich um das bundesweite Großprojekt "Forschungsfertigung Batteriezelle" zu bewerben, dass das Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie (ISIT) in Itzehoe koordiniert hatte. Auch wenn Münster 2019 den Zuschlag bekommen hat, war diese Bewerbung ein Gewinn und ein Innovationsschub für den echten Norden: Das Land hat seine Kompetenzen auf dem Feld der Speichertechnologien effizient gebündelt - exzellente Voraussetzungen also für den Ausbau von Forschung und Entwicklung.
ISIT in der ersten Liga der Forschung
Das Fraunhofer ISIT in Itzehoe mit 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt als eine der europaweit modernsten Forschungseinrichtungen für Mikroelektronik, Mikrosystemtechnik und Batterietechnologie. Herzstück des Instituts sind Reinraumanlagen, die so groß sind, dass die selbst entwickelten Bauelemente im industriellen Maßstab gefertigt werden können. An vielen Forschungsprojekten beteiligen sich neben Hochschulen auch Industriepartner, die das Know-how für ihre Entwicklung und Produktion nutzen wollen.
FAB-SH gibt neuen Schub
Zu den wichtigsten Akteuren zählt das neue Forschungszentrum für angewandte Batterietechnologie Schleswig-Holstein (FAB-SH) unter dem Dach des ISIT, das 2022 den Betrieb aufgenommen hat. 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ingenieurinnen und Ingenieure, chemisch-technisches Personal, dazu Mechanikerinnen und Mechaniker, Elektronikerinnen und Elektroniker sowie bis zu 20 Studierende kümmern sich um die anwendungsnahen Forschungsprojekte. "Die Entwicklung geht dahin, dass sich durch Innovationen - etwa durch den Einsatz von Silizium-Anoden - die Energiedichte von Batterien verdreifachen wird", erläutert der stellvertretende Leiter des FAB-SH, Raphael Richter. Geforscht werde daran, wie sich Batterien schneller laden lassen, was für Elektroautos neben der gesteigerten Reichweite ein wichtiges Entwicklungsziel sei. Daneben gehe es um die wichtigen Bereiche der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Akkus.
Die Basis dazu exisitiere bereits am Fraunhofer-Institut. Das FAB-SH kann jetzt im neuen Gebäude 3.400 m2 Labor- ud Bürofläche nutzen, um sich mit der Weiterentwicklung von Batterien für verschiedene Anwendungen in Autos, Schiffen, Medizintechnik oder als stationäre Speicher zu befassen.
"Mit der Trockenbeschichtung von Elektroden und einer eigenen Separator-Technologie für das Zusammenfügen der Batteriezellen haben wir Produktionsprozesse entwickelt und patentieren lassen, über die nur das ISIT verfügt", erläutert Holger Kapels. Im Bereich der Zelltechnologie gilt das Itzehoer Institut als führend bei der Entwicklung von Hochleistungszellen und Hochtemperatur-Akkus. Das neue FAB-SH werde die Industrialisierung dieser und weiterer Batterietechnologien beschleunigen und optimieren.
Uni Kiel: Revolutionäre Materialforschung
Neue Materialien und Herstellungsverfahren könnten eine Revolution in der Batterietechnologie auslösen: Davon ist man am Labor für zuverlässige, batteriegestützte Energiewandlung (BAEW) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel überzeugt. Das Team hat eine Silizium-Anode entwickelt, die zehnmal mehr Energie speichern kann als Graphit-Anoden in heutigen Lithium-Ionen-Batterien. Würde sich diese Technologie durchsetzen, wären Reichweiten von 1.000 Kilometern mit einem E-Auto kein Traum mehr. Nun geht es darum, die Entwicklung auch industriell nutzbar zu machen.
FH Kiel: KI-basiertes Akku-Management
Jede Fahrerin, jeder Fahrer eines E-Autos weiß es: Der Akku ist das Herzstück, er ist teuer, seine Lebensdauer begrenzt. "Deshalb kommt es darauf an, Batterien so zu überwachen und zu steuern, dass sie möglichst lange Strom liefern und drohende Defekte vorhersagen", erläutert Professor Christoph Weber von der Fachhochschule Kiel. Dazu seien hochentwickelte Batteriemanagement- und Diagnosesysteme nötig, die den Gesundheitszustand jeder Batteriezelle überwachen können. Am Institut für Mechatronik entwickelt der Ingenieur mit seinem Team selbstlernende Systeme, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind.
"Im Bereich E-Mobilität und im Einsatz als Speicher erneuerbarer Energien ist die Überwachung der Leistungsfähigkeit und des Gesundheitszustandes der Batterie elementar. Wir haben ein neues, zuverlässiges System konstruiert, das alle Daten laufend erfasst, interpretiert und selbstlernend Vorhersagen trifft, wenn etwa bestimmte Batteriemodule- oder zellen Fehler aufweisen", erläutert Weber. Dieses Wissen ermögliche etwa Autoherstellern eine zielgenaue Reparatur.
Ein weiteres innovatives Verfahren des "lebenden Modells für die Zustandsprognose von Batterien" hat die FH Kiel bereits als Patent angemeldet. "Bisher müssen die Batteriespeicher im Sinne der Betriebssicherheit in Teilen stets doppelt vorgehalten werden, was enorme Kosten verursacht. Mit unserem Überwachungssystem können wir zuverlässig vorhersagen, wenn sich der Gesundheitszustand einer Batteriezelle verschlechtert oder schon vor einem Ausfall einen Austausch oder eine Reparatur veranlassen", erklärt Professor Weber. So könne man auf die Ersatzsysteme verzichten.
Megatrends Wasserstoff und Batterietechnologie
In der Autobranche konkurrieren oft die beiden Pole: Setzen sich Elektroautos mit Batterieantrieb oder Wasserstoff-Fahrzeuge durch? Doch an diesem Zukunftsszenario der Mobilität wird deutlich - es werden beide Systeme gebraucht. Eine Batterie ist in Kombination mit wasserstoffbetriebener Brennzelle immer notwendig, etwa um Bremsenergie zu speichern oder den E-Motor beim Beschleunigen zu unterstützen.
In Schleswig-Holstein stehen die Weichen auf Zukunft. Mit einer vielfältigen Landschaft an Forschung, Entwicklung und Förderung von neuen effizienten und umweltverträglichen Technologien ist man bereit, die technologische Entwicklung weit über die Landesgrenzen hinaus mitzugestalten.