Erneuerbare Energien bieten langfristige Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Unabhängigkeit
Fachkonferenz Industry meets Renewables bringt Erneuerbaren-Branche und Unternehmen zusammen
Mit dem Vorhaben, bis 2040 erstes klimaneutrales Bundesland zu werden, hat sich Schleswig-Holstein ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die Klimaneutralität sind die Erneuerbaren Energien, deren schleswig-holsteinischer Branchenverband watt_2.0 die jährliche Fachkonferenz Industry meets Renewables etabliert hat. Im Mittelpunkt der Industry meets Renewables, die am 11. September in Neumünster stattfindet, stehen Themen wie Versorgungssicherheit, Best Practice-Beispiele zur Nutzung und Speicherung der Erneuerbaren und wie der Aufbau eines zukunftsfähigen Energiesystems gelingen kann. Die WTSH online Redaktion hat mit Mai-Inken Knackfuß, Geschäftsführerin von watt_2.0, über den Stand der Dinge, Herausforderungen und Chancen gesprochen.
WTSH online Redaktion: Welche Erneuerbare Energien sind für Schleswig-Holstein besonders relevant und warum?
Mai-Inken Knackfuß: Schleswig-Holstein als ein Bundesland mit hervorragenden Windverhältnissen ist in den vergangenen drei Jahrzehnten Vorreiter beim Ausbau der Erneuerbaren Energien geworden: Erzeugeranlagen auf Basis von Wind und Solarenergie haben dafür gesorgt, dass sich die Erneuerbaren-Branche überhaupt entwickeln konnte und dass Schleswig-Holstein heute einen hohen Anteil der Erneuerbaren bspw. am Stromverbrauch (in SH in 2022 131 %) verzeichnet. Die dezentrale Wertschöpfung unterstützt zudem die regionale Wirtschaftskraft. Neben der Bereitstellung versorgungs- und preissicheren Stroms ermöglichen Wind und PV die Vor-Ort-Veredelung der regional erzeugten Energien und die Speicherung dieser unter anderem in Form von Wasserstoff. Darüber hinaus sind Biogasanlagen als flexible Energielieferanten und Speicher unentbehrlich für den Energiemarkt. Die Umstellung der Energieversorgung hin zur CO2-freien, nachhaltigen und sicheren Versorgung kann nur mit den dezentralen Erneuerbaren gelingen.
WTSH online Redaktion: Welche Herausforderungen gehen mit dem Transformationsprozess zur Klimaneutralität einher, aber welchen konkreten Mehrwert bietet er auch für Unternehmen?
Mai-Inken Knackfuß: Unternehmen sind selbstverständlich nachvollziehbar darauf konzentriert, sich ihrem eigentlichen Aufgabenbereich zu widmen und der jeweiligen Herstellung der Produkte oder Dienstleistung nachzukommen. Eine Basis dafür sind versorgungs- und preissichere Energieflüsse, die innerhalb der wirtschaftlichen Planungen grundlegend sind. Genau an dieser Stelle liegen die Chancen, die eine Umstellung auf Erneuerbare Energien bieten: Der Einsatz von Erneuerbaren Energien im Unternehmen senkt langfristig die Energiekosten, macht diese kalkulierbar und sorgt für Unabhängigkeit vom externen Energiemarkt. Eine Eigenerzeugung und -versorgung bietet somit wesentliche Wettbewerbsvorteile. Industrie und Gewerbebetriebe vermeiden außerdem die Bepreisung ihres ausgestoßenen CO2 durch fossile Energieträger und können ihre gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreichen. Die Techniken und Systeme für die umfangreiche und effiziente Nutzung der Erneuerbaren für den Systemwandel und die CO2-freie Produktion stehen zur Verfügung, sind ausgereift und erprobt.
WTSH online Redaktion: Welche strukturellen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, um Erneuerbare Energien in der Fläche erfolgreich einzusetzen?
Mai-Inken Knackfuß: Hinderlich und verzögernd wirkt sich aus, dass im bundes- und europaweiten Kontext weiterhin an umwelt- und klimaschädlichen Subventionen bspw. für fossile Ressourcen festgehalten wird. Dadurch wird der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht in dem Maße verfolgt, wie es erforderlich ist. Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren gestalten sich in der Praxis als langwierig, insbesondere im Zusammenhang mit Digitalisierungsstandards. Darüber hinaus brauchen wir Anreize für die Flexibilisierung von Produktionsprozessen an die Energieproduktion, die umfangreiche Strompreis- und Netzentgeltreform, Investitionen und Fördermaßnahmen für die Umstellung der Prozesse. Verlässliche Rahmenbedingungen und ein breiter Konsens der beteiligten Akteure sind für den gesamten Prozess das A und O.
WTSH online Redaktion: Welche Lösungen gibt es schon heute?
Mai-Inken Knackfuß: Die Maßnahmen innerhalb der Unternehmen sind so vielfältig wie die Anzahl der unterschiedlichen Branchen: Lösungen für die Umsetzung der Transformation umfassen neben individuellen Nachhaltigkeitsstrategien Eigenversorgungskonzepte auf Basis der Erneuerbaren sowie Speichern von Strom und Wärme inkl. Abwärme, Direktbelieferungen bis hin zu Neuentwicklungen von Industrieeinrichtungen, die mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Die Bereitschaft und die Motivation der Wirtschaft und Industrie sind vorhanden und führen bei verschiedenen Betrieben zum Einsatz und zur Integration in die bestehenden Systeme.
WTSH online Redaktion: Wie stellen Sie sich das Energiesystem der Zukunft vor?
Mai-Inken Knackfuß: Es geht hierbei nicht um die grundsätzliche Entscheidung, ob wir dekarbonisieren und auf 100 % Erneuerbare umstellen. Es geht vielmehr darum, in welcher Geschwindigkeit, mit welcher Flexibilität und Professionalität wir dieses gemeinsam angehen. Denn feststeht: Wir haben unendlich viel Energie! Wir müssen sie nur produzieren können und nutzen dürfen, für alle Sektoren und in allen Regionen, zur Stärkung der Wirtschaftskraft. Die Erneuerbaren bieten das, was Wirtschaft und Industrie für klimaschonende Prozesse und wettbewerbsfähige Produkte brauchen: eine sichere, günstige Versorgung mit Strom, Wärme und Wasserstoff. Diese, dezentral erzeugt, bieten langfristige Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Unabhängigkeit.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die bundesweite Konferenz Industry meets Renewables findet am Mittwoch, 11. September 2024 von 9:30 bis 18:30 Uhr im Holstenhallen Congress Center Neumünster, Justus-Liebig-Straße 2-4, unter der Schirmherrschaft von Tobias Goldschmidt, Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein statt. Am Donnerstag, 12. September 2024 wird für die Teilnehmenden ein Exkursionstag zu Energieprojekten in Schleswig-Holstein angeboten.