Kooperationen im europäischen Kontext
In der Corona-Krise wurden globale Abhängigkeiten sichtbar, durch Lieferausfälle kam es zeitweise zu Stillstand in der Produktion der heimischen Industrie. Findet nun ein Umdenken statt? Suchen Unternehmen im Zuge der Diversifikation von Lieferketten Kooperationspartner nun verstärkt in Europa statt in Asien? Mit rund 600 Partnerorganisationen in 60 Ländern fördert das Enterprise Europe Network (EEN) grenzüberschreitende Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft in der EU. Wir haben mit Jenny Dümon, Teamleiterin Enterprise Europe Network Hamburg - Schleswig-Holstein über Kooperationsmöglichkeiten in Europa und deren Wandel gesprochen.
WTSH-Online-Redaktion: Welche Unternehmen melden sich mit welchen Fragestellungen bei Ihnen?
Jenny Dümon: Wir haben auf der einen Seite die Anfragen von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Schleswig-Holstein, die aus allen möglichen Branchen kommen und vorrangig auf der Suche nach Kooperationspartnern sind, manchmal aber auch Fragen zu europäischen Bestimmungen oder Förderprogrammen haben. Diese Kooperationswünsche haben viele Gesichter – von Technologiepartnerschaften, Forschung und Entwicklung über Vertrieb und Zulieferer ist alles dabei. Und auf der anderen Seite erhalten wir natürlich die Anfragen von Unternehmen aus ganz Europa, die ihrerseits Kooperationspartner suchen und denen wir dann entsprechende Kontakte im echten Norden vermitteln.
WTSH-Online-Redaktion: Gibt es im Hinblick auf die Corona Pandemie veränderte Anfragen?
Jenny Dümon: Im Moment sehen wir in unserem Netzwerk einen starken Trend besonders im Bereich der Lieferanten, sich wieder mehr auf das europäische Ausland zu konzentrieren und Lieferanten in Europa zu gewinnen. Hier kann man schon sagen, dass die Corona-Pandemie ihren Teil dazu beigetragen hat, das Lieferanten-Netzwerk wieder etwas regionaler zu spinnen und sich nicht ausschließlich auf die asiatischen Länder zu verlassen. So gibt es weniger Lieferausfälle bzw. Verzögerungen. Aber nicht nur die Pandemie, auch der Aspekt der Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle dabei.
WTSH-Online-Redaktion: Worauf achten Unternehmen besonders beim Thema Nachhaltigkeit?
Jenny Dümon: Sowohl die Unternehmen als auch deren Kunden und die Konsumenten legen einfach mehr Wert darauf, Produkte nachhaltiger herzustellen. Somit wird mehr auf kürzere Lieferwege geachtet, aber auch auf soziale Aspekte wie die Arbeitsbedingungen oder den Umgang mit Ressourcen. Das EEN bietet hier tatsächlich einen Nachhaltigkeits-Check an, so dass die möglichen Kontakte direkt in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit bewertet werden können. Wie nachhaltig Unternehmen agieren ist schon fast ein Qualitätsmerkmal geworden bei der Auswahl der möglichen Kooperationspartner.
WTSH-Online-Redaktion: Wie genau unterstützt das EEN die Unternehmen bei der Suche, sagen wir mal ein Unternehmen sucht einen (neuen) Lieferanten?
Jenny Dümon: Zunächst einmal muss das Unternehmen selbst aktiv werden. Zum einen muss die Problemstellung definiert werden - also was will das Unternehmen erreichen - und der zweite Schritt besteht dann darin, mit uns Kontakt aufzunehmen. So hat es beispielsweise das Unternehmen TRIXIE Heimtierbedarf GmbH & Co. KG aus Tarp gemacht. Aufgrund des veränderten Rohstoffmarktes in Asien – in diesem Fall für Holz – ist das Unternehmen auf der Suche nach neuen Lieferanten. Wir konnten aufgrund der spezifischen Anforderungen mehrere Unternehmen aus Polen, Bulgarien, Rumänien ausfindig machen, die für eine solche Kooperation in Frage kommen. Wir stellen dann den Erstkontakt her und können natürlich auch weiterhin unterstützen, aber die Entscheidung für einen Kooperationspartner trifft das Unternehmen am Ende alleine.
WTSH-Online-Redaktion: Unternehmen nutzen Ihren Service jetzt also vermehrt. Hat sich auch Ihre eigene Arbeitsweise geändert durch die Corona-Krise?
Jenny Dümon: Eigentlich nicht. Wir hatten den Riesen-Vorteil bereits vorher sehr digital zu arbeiten. Die Datenbanken sind alle online verfügbar und auch den Registrier- und Terminprozess für Matchmakings hatten wir bereits digitalisiert, so dass wir tatsächlich reibungslos weiter für unser Netzwerk aktiv sein und Kontakte in Europa vermitteln konnten.
Das Interview führte: Sabine Konejung