Wasserstoffwirtschaft in Schleswig-Holstein

Technologie, Standort und Zukunftsaussichten

Schleswig-Holstein ist das Land der Energiewende. Im Gegensatz zu anderen Regionen in Deutschland wird in Schleswig-Holstein eine große Menge grüner Strom aus Windenergie produziert. Schon seit langem reicht diese Menge rein rechnerisch über den eigenen Strombedarf hinaus was zu Stromengpässen und zur Abregelung von Anlagen führt. Im echten Norden möchte man diesen Überschuss an Strom nun verstärkt nutzen, um grünen Wasserstoff zu produzieren. Denn durch das Potenzial an erneuerbaren Energien, die gute geografische Lage sowie Import und Exportterminals für internationale Zusammenarbeit hat Schleswig-Holstein das Potenzial eine Vorreiterrolle einzunehmen ebenso wie dem Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der Energiewende zukommt. Über den Status der Wasserstoff-Technologie, den Standort und die Zukunftsaussichten sprachen wir mit Annika Fischer, Leiterin der Landeskoordinierungsstelle Wasserstoffwirtschaft Schleswig-Holstein.  

Leiterin LK Wasserstoffwirtschaft Annika Fischer

WTSH-Online-Redaktion: Was sehen wir für ein Bild, wenn wir von der Wasserstoffwirtschaft in Schleswig-Holstein sprechen?  

Annika Fischer: Über die letzten Jahre haben viele Regionen und Akteure durch unterschiedlichste Projekte im Bereich Wasserstoff Kompetenzen und Erfahrung bei der Produktion und Anwendung aufbauen können. Nun sehen wir das die einzelnen Enden sich langsam zu einer funktionierenden Wasserstoffwirtschaft verbinden. In Schleswig-Holstein können wir aus erneuerbaren kostengünstig Wasserstoff herstellen, und so das Netz zukünftig trotz der steigenden Menge an fluktuierenden Stromerzeugern stabilisieren. Die Energie in Form des Wasserstoffs kann dann langfristig in Salzkavernen oder im bestehenden Gasnetz gespeichert werden. Als Folgeeffekt der Wasserstoffproduktion kann darüber hinaus auch die Abwärme, unter anderem in den Nahwärmenetzen genutzt werden. Technologieoffenheit und ein gesamtsystemisches Denken zeichnet die Wasserstoffwirtschaft in SH aus. In den letzten zwei Jahren konnten wir beobachten, wie mehr und mehr Akteurinnen und Akteure aus Forschung, Logistik aber auch der Industrie sich mit dem Thema Wasserstoff beschäftigen. 

WTSH-Online-Redaktion: Welche Projekte können wir in Schleswig-Holstein besonders hervorheben? 

Annika Fischer: Wie bei vielen Entwicklungen spielt auch im Bereich der Wassersstoffwirtschaft das Zusammenspiel von Produzenten und Abnehmern eine große Rolle. Das Henne-Ei-Problem sozusagen. Durch den Wasserstoff-Bedarf in der Industrie und die guten Bedingungen der Windkraftanlagen hat sich besonders die Westküste in den vergangenen Jahren stark mit dem Thema Wasserstoff befasst. Hier gibt es mit dem Projekt Westküste 100 einen Elektrolyseur für die Großproduktion UND es gibt durch die Raffinerie Heide und weitere Industrie auch die Abnehmer dafür. Nicht nur für den Wasserstoff selbst, sondern auch für Derivate wie Methanol oder auch alternative Kraftstoffe für den Flugverkehr. 

Ein anderes spannendes Projekt ist das H2-Güterverkehr-Hub in Neumünster. Hier wird in einer Blaupause an Lösungen für den Schwerlastverkehr gearbeitet. Nach einer Machbarkeitsstudie wird nun die entsprechende Infrastruktur aufgebaut für die Logistik und dem Lebensmitteleinzelhandel. Die funktionierende Testinfrastruktur kann dann auf das gesamte Land übertragen werden. Auch hier wird parallel Angebot- und Abnahmestruktur entwickelt und aufeinander abgestimmt.  Und es gibt noch weitere tolle Beispiele in Schleswig-Holstein, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis hin zur Anwendung von Wasserstoff aufzeigen

WTSH-Online-Redaktion: Welche Vorteile bietet die Wasserstoff-Technologie für den Standort Schleswig-Holstein als Energiewendeland? 

Annika Fischer: Riesige. Wir entwickeln hier aktiv eine Zukunftstechnologie, die nicht nur in der Industrie zum tragen kommen kann, sondern auch überall dort, wo wir mit Batterietechnologie nicht weiterkommen. Wir können hier nicht nur grünen Strom produzieren, sondern ihn langfristig speichern, transportieren und für verschiedene Anwendungen bereitstellen. Hier bereiten wir den Boden für Ansiedlungen der vor- und nachgelagerten Wasserstoffwirtschaft, aber möglicherweise auch für das produzierende Gewerbe wie Stahl, Düngemittel oder auch Plastikherstellung. Wir könnten so 10.000de von Arbeitsplätzen schaffen. Das ist allerdings eher eine mittelfristige Lösung, ganz so weit sind wir natürlich noch nicht. 

WTSH-Online-Redaktion: Aber es ist ein Ziel? 

Annika Fischer: Ja. Die Politik unterstützt die Wasserstoffwirtschaft und sieht darin eine Möglichkeit, hier im Land für Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wohlstand zu sorgen. Wasserstoffwirtschaft kann ein Magnet für viele neue Ansiedlungen im echten Norden werden. Das dies auch politisch ein Fokusthema ist, zeigen auch die derzeitigen Aktivitäten einer Fortschreibung der Wasserstoffstrategie des Landes mit Eckpunkten von einer erhöhten Bereitstellung des grünen Wasserstoffs, über die Unterstützung der Netzinfrastruktur, der Entwicklung von Rahmenbedingungen bis zur Analyse von Flächen. 

Das Interview führte Sabine Konejung

Zur Person:

Annika Fischer ist Leiterin der Landeskoordinierungsstelle Wasserstoffwirtschaft Schleswig-Holstein. In dieser Funktion engagiert sie sich besonders in der Förderberatung bei Projekten, im Wissenstransfer und dem Verständnis für die Technologie. Aber auch das Sichtbar machen der Kompetenzen und Projekte im Land gehört zu den Aufgaben.  

Unser Service

LKS Wasserstoffwirtschaft
Wir unterstützen Akteure in Schleswig-Holstein bei der Suche nach passenden Fördermöglichkeiten, fördern den Transfer und die Vernetzung von Wissen und Kompetenzen und machen den Markthochlauf auch nach außen sichtbar.
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Cluster Schleswig-Holstein
Cluster sind interdisziplinäre Netzwerke, die für eine verbesserte Wertschöpfung und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen sorgen. Schleswig-Holstein bietet viele Möglichkeiten

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