Gaming und Recruiting – wie passt das zusammen?
Arbeiten und Spielen – passt das zusammen? Recruiting und Personalauswahl sind im Wandel – die Digitalisierung schreitet auch hier voran. Immer stärker rückt auch das Thema E-Sport und Gaming in den HR-Bereich vor. Wie und warum man E-Sport Elemente im Bewerbungsverfahren einsetzen kann und welchen Nutzen Gaming den KMU bieten, klären wir mit Timo Schöber. Er ist Experte für E-Sport im HR und betreibt das StartUp lvlup!HR. Hier verrät er, worauf es ankommt.
WTSH-Online Redaktion: Welche Zielgruppen erreicht man in erster Linie mit E-Sport oder Gaming?
Timo Schöber: Man erreicht damit eine eher junge und technikaffine Zielgruppe, die überdurchschnittlich gut gebildet ist, wie eine demographische Analyse von Nielsen Sports in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Westküste gezeigt hat*. Auf diese Weise kann man sehr genau eine gut abgrenzbare Zielgruppe erreichen, die über viel Know-How verfügt und gleichzeitig eine potenziell lange Verweildauer im Unternehmen hat. Als Maßnahmen sind unterschiedliche Konzepte denkbar. Diese reichen von Azubi-Teams, über Betriebssport bis hin zur Vermittlung von Medienkompetenz mittels E-Sport. Auch wir bei lvlup!HR nutzen E-Sport im Bereich von Assessment Centern. Dabei setzen wir auf unterschiedliche Varianten von Assessment Centern, die wiederum einen vielfältigen Nutzen für Unternehmen haben.
WTSH-Online Redaktion: Worin sehen Sie die Vorteile im Einsatz solcher E-Sport Elemente?
Timo Schöber: Gerade im Bereich der Assessment Center sehen wir aus Sicht der Spielwissenschaftler, viel Potenzial. Wenn Menschen spielen, dann agieren sie zum einen natürlicher als in einer Beobachtungssituation, wie sie bei einem Assessment Center normalerweise vorherrscht. Zum anderen fühle sie sich gleichzeitig nicht beobachtet, wenn sie spielen. Das birgt mehrere Vorteile, unter anderem die Reduktion von Stress für die Teilnehmer eines Assessment Centers sowie eine höhere Verlässlichkeit in den Daten, weil die Kandidaten sich ehrlicher verhalten, wenn sie in einer Spielsituation sind. Darüber hinaus können wir im E-Sport einzelnen Personen eine bestimmte Rolle zuweisen. Ist jemand in einem Team also eher still und kommuniziert wenig, dann können wir ihm im Spiel die Rolle des Ingame Leaders zuweisen, also der Person, die das Team koordiniert und Anweisungen geben muss. Auf diese Weise können Anforderungsprofile und Kompetenzmuster gezielt betrachtet und herausgearbeitet werden. Einen weiteren Nutzen sehen wir in den Spieldaten. Neben den Ergebnissen der Beobachtungen können wir nämlich gezielt Daten aus den Computer- und Videospielen selbst auswerten: Wie aktiv ist ein Spieler? Nimmt jemand seine zugewiesene Rolle wahr? Wie viele Schritte ist jemand gelaufen? Wann und in welchen Situationen hat jemand Teammitglieder unterstützt? Jemand, der im Zuge eines Assessment Centers normalerweise durchfallen würde, kann beispielsweise auf diese Weise verborgene Potenziale zeigen und auf sich aufmerksam machen.
WTSH-Online Redaktion: Wie können KMU bei ihrer Talentsuche davon profitieren?
Timo Schöber: Der Fachkräftemangel trifft gerade in Schleswig-Holstein vor allem KMU. Dies betrifft einerseits die demographische Lücke, andererseits aber auch die Lücke, die durch das wirtschaftliche Wachstum entsteht. E-Sport kann hier als kostengünstige und sehr zielgerichtete Methode genutzt werden, um junge Menschen anzusprechen. Rund die Hälfte der deutschen Bevölkerung spielt Computer- und Videospiele. Mit dem Thema E-Sport befassen sich hierzulande mehr als drei Millionen Menschen. Das Potenzial ist also groß und aufgrund des Wachstums beider Phänomene – Gaming und E-Sport – immens.
Fazit: E-Sport eignet sich generell, um Fertigkeiten und Fähigkeiten zu vermitteln respektive zu verstärken, Talente zu suchen, Recruiting-Prozesse zu bereichern und Maßnahmen des Employer Brandings zu untermalen. Der elektronische Sport funktioniert wie traditionelle Leistungssportarten. Es geht um Wettkampf, Teamplay, Kommunikation sowie um strategisches, taktisches und konzeptionelles Denkvermögen. Aspekte wie Multitasking, Feinmotorik und Geschwindigkeit in der Übersetzung vom Denken zum Handeln sind enorm wichtig im E-Sport. All das sind Faktoren, die auch für Unternehmen wichtig sind. Doch: Gamification im Recruiting braucht ein Konzept
*(vgl. Schöber, Ottowitz: E-Sport Radar, 2021)
Das Interview führte Ute Leinigen